Soll ich oder soll ich nicht? Gedanken über den Sinn externer Unterstützung im Finanz- und Rechnungswesen anhand von Beispielen und mit Tipps aus der Praxis

Eins ist offensichtlich: Mitarbeiter des Finanz- und Rechnungswesens können sich selbst in „eingeschwungenen“ Finanzabteilungen und in „normalen“ Zeiten nicht über Arbeitsmangel beklagen (Stichwort „Fachkräftemangel“). Da stellt sich doch die Frage, wie Finanzverantwortliche dann auch noch auf neue Herausforderungen aufgrund sich ändernder Rahmenbedingungen für ihre Abteilungen reagieren sollen.

Es gibt unzählige Ursachen, die selbst eingespielte Finanzabteilungen vor neue Herausforderungen stellen können. Dazu zählen unter anderem:

  • Wachstum des Unternehmens: Wenn ein Unternehmen wächst, nimmt die Komplexität der Finanzprozesse zu. Neue Märkte, Produkte und Dienstleistungen erfordern eine präzisere und umfangreichere Buchhaltung.
  • Regulatorische Änderungen: Neue Gesetze und Vorschriften können erhebliche Anpassungen in der Finanzberichterstattung und -kontrolle erfordern.
  • Technologische Veränderungen: Die Einführung neuer Software oder IT-Systeme, wie z.B. ERP-Systeme, stellt oft eine große Herausforderung für die Finanzabteilung dar.

Ein häufiges Beispiel ist der Gesellschafterwechsel bei einer mittelständischen, langjährig inhabergeführten Unternehmensgruppe, die von einem Private-Equity-Investor übernommen wird. Das primäre Ziel einer Private-Equity-Gesellschaft ist es, den Unternehmenswert innerhalb eines Haltezeitraums von in der Regel fünf bis sieben Jahren zu steigern, um es dann gewinnbringend wieder zu veräußern. Dies führt in der Regel in allen Abteilungen des Unternehmens, vor allem aber auch im Finanz- und Rechnungswesen, zu Mehrarbeit.

Die Auswirkungen auf den „Finanzkalender“ der erworbenen Unternehmensgruppe werden deutlich spürbar. So mag sich das monatliche Finanzreporting in quantitativer, qualitativer und zeitlicher Hinsicht folgendermaßen verändern:

  • Quantitativ: Die Anzahl der zu erstellenden Finanzreports wird steigen.
  • Qualitativ: An die Qualität des Finanzreportings werden neue Anforderungen gestellt.
  • Zeitlich: Ggf. muss das Finanzreporting von einer quartalsweisen auf eine monatliche Berichterstattung umgestellt werden.

Neben Private-Equity-Übernahmen können auch interne Projekte, wie die Einführung einer neuen Konsolidierungssoftware, erhebliche Anforderungen an die Finanzabteilung stellen. Wie gehen nun Finanzverantwortliche mit diesen Anforderungen um?

Aus meinen Beobachtungen und Erfahrungen der letzten Jahre lassen sich unterschiedliche Herangehensweisen erkennen:

1. Interne Bewältigung:
In Unternehmensgruppen ohne Gesellschafterwechsel versucht der Finanzverantwortliche oft, Projekte neben dem Tagesgeschäft mit der bestehenden „Finanz-Mannschaft“ zu realisieren. Dies führt jedoch häufig zu Verzögerungen oder Projektverschiebungen aufgrund mangelnder zeitlicher und ggf. fachlicher Ressourcen.

2. Einsatz von Beratern und Interim-Managern:
Finanzverantwortliche in Private-Equity-geführten Gesellschaften greifen vermehrt auf externe Unterstützung durch Beratungen und Interim-Manager zurück, um Projekte fokussierter voranzutreiben. Diese stehen ohne langwierige Such- und etwaige Einstellungsprozesse ad hoc zur Verfügung und bringen umfangreiche Erfahrung aus ähnlichen Projekten mit.

3. Optimierung interner Prozesse:
Eine gründliche Analyse und Optimierung der bestehenden Finanzprozesse kann Effizienzgewinne bringen und die Abteilung entlasten. Dies kann durch den Einsatz neuer Technologien, die Verbesserung der internen Kommunikation oder die Reorganisation der Arbeitsabläufe geschehen.

4. Schulung und Weiterbildung:
Investitionen in die Weiterbildung der bestehenden Mitarbeiter helfen, deren Fachwissen zu erweitern und sie besser auf neue Herausforderungen vorzubereiten. Dies kann durch interne Workshops, externe Schulungen oder auch die Nutzung von Online-Lernplattformen erfolgen.

Die richtige Kombination von internen und externen Ressourcen kann maßgeblich zum Erfolg beitragen. Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl interne Kompetenzen nutzt als auch gezielt externe Expertise hinzuzieht, bietet die besten Chancen, um die vielfältigen Herausforderungen im Finanz- und Rechnungswesen zu meistern. Dabei sollte stets die spezifische Situation des Unternehmens und die jeweilige Herausforderung berücksichtigt werden.

Im Folgenden einige praktische Tipps zur Bewältigung der Herausforderungen:

  • Prioritäten setzen: Identifizieren Sie die dringendsten Aufgaben und konzentrieren Sie sich zunächst auf diese. Eine klare Priorisierung hilft, den Überblick zu behalten und Ressourcen gezielt einzusetzen.
  • Kommunikation fördern: Stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten regelmäßig informiert werden und offene Kommunikationswege vorhanden sind. Dies verhindert Missverständnisse und fördert die Zusammenarbeit.
  • Technologie nutzen: Nutzen Sie moderne Softwarelösungen und Tools, um Prozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Dies kann Zeit sparen und die Genauigkeit erhöhen.
  • Externe Unterstützung evaluieren: Prüfen Sie regelmäßig, ob und in welchem Umfang externe Unterstützung sinnvoll ist. Berater und Interim-Manager können wertvolle Expertise und Entlastung bringen, sollten jedoch gezielt und gut geplant eingesetzt werden.
  • Flexibilität bewahren: Seien Sie bereit, Pläne anzupassen und auf unerwartete Herausforderungen flexibel zu reagieren. Eine gewisse Agilität hilft, sich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen.

Eine frühzeitige Planung und die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Lösungsansätze können Finanzverantwortlichen helfen, den optimalen Weg für ihr Unternehmen zu finden. Auch die Entscheidung für den Einsatz von Interim-Managern bringt mit entsprechendem Vorlauf bessere Ergebnisse, da diese effizient und fokussiert in einem überschaubaren Zeitraum arbeiten, während die Mitarbeiter der Finanzabteilung ihrem Alltagsgeschäft nachkommen können.

In der Kosten-Nutzen-Abwägung der potenziellen Maßnahmen ist also Planung und eine relevante Gesamtübersicht über die zu stemmenden Aufgaben das A und O. Im Zweifelsfall unter Zuhilfenahme eines Interim-Managers, der dann aufzeigt, welches Potenzial intern schlummert und nur geweckt werden muss.

Zum Autor:

Karsten Steinau verfügt über eine über 25-jährige Erfahrung im Bereich Wirtschaftsprüfung und Wirtschaftsberatung und war darüber hinaus in verschiedenen leitenden Finanzpositionen im Konzernumfeld tätig. Schwerpunkt seiner Arbeit heute ist die projektbezogene Beratung von Unternehmen in Konzernstrukturen rund um das Thema Konsolidierung und Konzernrechnungslegung.

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E-Mail: Karsten.Steinau@gmx.de
Xing: https://www.xing.com/profile/Karsten_Steinau

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