Schnittstellen zwischen HR und Marketing: Die Symbiose für erfolgreiches Employer Branding

Die Frage nach der Personalgewinnung ist heute in nahezu jedem Unternehmen präsent. Die Zeiten haben sich gewandelt: Unternehmen müssen attraktiv für Bewerbende sein. Personalmarketing und Employer Branding haben Hochkonjunktur, und die Frage bleibt: Welche Abteilung ist dafür zuständig – HR, nah an den Bewerbenden, oder Marketing, geübt darin, den Bekanntheitsgrad zu steigern? Klar ist: Durch den Fachkräftemangel wird der Verkaufsaspekt - das Bewerben der Stellen und des Arbeitsplatzes - immer wichtiger. Auch die Digitalisierung macht in diesem Bereich nicht halt und verlangt nach neuen Kompetenzen bei der Personalgewinnung. Wie dabei das Zusammenspiel zwischen HR und Marketing aussehen kann, beleuchte ich in diesem Beitrag anhand vier Themenfelder.

1. Klare Unternehmensvision und Sinnhaftigkeit 

Sinn in der Arbeit gilt als einer der entscheidenden Motivationsfaktoren für Mitarbeitende. Eine gemeinsame Vision wirkt als Magnet für Wunschkandidaten und spielt auch eine zentrale Rolle für die Markenidentität bei der Kundengewinnung. 

Um ein einheitliches Verständnis über die Vision und den Unternehmenszweck sicherzustellen, empfehle ich die Durchführung eines gemeinsamen Workshops unter der Leitung eines externen Moderators. In diesem Workshop können die wesentlichen Werte und Ziele des Unternehmens identifiziert sowie die Vision visualisiert werden. Darauf aufbauend können gemeinsame Unternehmensbotschaften abgeleitet werden.

Als Orientierung für die Kommunikation kann der „Golden Circle“ des amerikanischen Autors und Unternehmensberaters Simon Sinek dienen. Dieser besteht aus drei Ringen:

WHY: Gemäß Simon Sinek ist Marketing besonders dann erfolgreich, wenn Unternehmen ihr „Why“ – also ihr Warum, ihren Unternehmenszweck – in den Mittelpunkt stellen.

HOW: Dieser Ring beschreibt, wie der Unternehmenszweck erreicht wird.

WHAT: Produkte oder Dienstleistungen stellen den Abschluss des Golden Circle dar.

Ein Beispiel hierfür ist Apple, das sein Marketing stark auf das "Why" fokussiert, indem es Innovation, Benutzerfreundlichkeit und Design betont, gefolgt von der Darstellung, wie sie diese Innovationen umsetzen, und schließlich den Produkten selbst. Durch diese Ausrichtung auf das "Why" hat Apple von Beginn an eine rundum authentische und starke Marke geschaffen, die es nicht nur ermöglicht, Produkte zu verkaufen, sondern eine Bewegung zu schaffen, die Menschen dazu inspiriert, Teil eines größeren Zwecks zu sein und so Mitarbeitende anzieht, die sich dieser Vision verbunden fühlen.

Dedizierte Imagekampagnen können dann Schwerpunkte setzen. So werden beispielsweise aktuell in Fernsehwerbungen von Amazon, Baumärkten und anderen Dienstleistungsanbietern die Services über Mitarbeitende beworben, die nicht nur auf die Mehrwerte für die Kundschaft eingehen, sondern gleichzeitig die Arbeitsbedingungen transportieren.

2. Content-Marketing: Verbindung von Botschaften und Unternehmenskultur 

Studien belegen die Bedeutung einer angenehmen Arbeitsatmosphäre für die Arbeitgeberwahl. In einer von Randstadt im Oktober 2021 durchgeführten Befragung nach ausschlaggebenden Faktoren rangierte diese mit 63% knapp hinter einem "Attraktiven Gehalt" (67%) und der „Arbeitsplatzsicherheit“ (68%).*

Unternehmen, die es schaffen, glaubhafte Einblicke in den Arbeitsalltag zu gewähren, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Besonders authentisch und wirksam sind persönliche Geschichten von Mitarbeitenden. Storytelling gewinnt auch im Bereich des Employer Brandings zunehmend an Bedeutung. Ein mögliches Format stellen Interviews dar, die mit verschiedenen Mitarbeitenden geführt werden, die über ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolge sprechen. Sie bieten potenziellen Bewerbenden die Möglichkeit, sich ein realistisches Bild vom Unternehmen zu machen. Zusätzlich könnte eine Initiative gestartet werden, in der Auszubildende als Botschafter des Unternehmens auftreten und ihre Ausbildungszeit, die Entwicklungsmöglichkeiten und die Unternehmenskultur präsentieren. Was könnte glaubhafter sein als Gleichgesinnte, die aus erster Hand über ihre Erfahrungen berichten?

HR spielt eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung der geeigneten Personen für Interviews, der Auswahl relevanter Fragen und Inhalte. Sie kennt häufig persönliche Geschichten und das Befinden der Mitarbeitenden und kann so sicherstellen, dass die Interviews authentisch und aussagekräftig sind. Die Marketingabteilung kennt die digitalen Spielregeln, ist mit der Erstellung von Content vertraut und kann sicherstellen, dass die Interviews in einer ansprechenden Rubrik auf der Unternehmenswebseite präsentiert werden und auf Social-Media-Plattformen Reichweite erhalten. 

Durch eine effektive Zusammenarbeit von Marketing und HR kann eine Content-Strategie entwickelt werden, die sowohl den heutigen technischen Anforderungen entspricht als auch emotional berührt und potenzielle Kandidaten anspricht. 

(* Studie von Randstad Deutschland zum Thema New Work. Veröffentlicht von Statista Research Department, 02.01.2024)

3. Proaktives Bewerben: Zwischen Algorithmen und Bedürfnissen

Das proaktive Bewerben von Stellen ist ein entscheidender Schritt, um sich im ”War for Talents“ einen Vorsprung zu verschaffen. Active Sourcing, die direkte Ansprache von Kandidaten, erstreckt sich dabei online und offline über verschiedene Kanäle, vom eigenen Talentpool bis hin zu Messen. Ein Heimspiel für die Marketingabteilung. Welche Best-Practices und Erfahrungen kann sie einfließen lassen? Hier nur einige Anregungen: 

  • Möglichkeiten und Steuerung der digitalen Kanäle: So können z.B. Anzeigen in den Social-Media-Kanälen an bestimmte Berufsgruppen ausgespielt werden.

  • Suchmaschinenoptimierung: Relevant auf der eigenen Website und in Stellenportalen. Durch eine Keyword-Analyse im Vorfeld lässt sich eine Positionsbezeichnung festlegen, die von Bewerbenden aktiv gesucht wird. Auch die Beschreibungstexte sollten in der Sprache der Zielgruppe  verfasst sein.

  • Text-, Bild- und Videogestaltung, angepasst an das digitale Nutzerverhalten: Egal ob, E-Mailings, Website oder breit gestreute Anzeigen. Die Digitalisierung hat das Konsumverhalten verändert. Was bei der Kundengewinnung wirkt, ist auch für die Personalgewinnung hilfreich.

Wie können Marketing und HR beim Active Sourcing effizient zusammenarbeiten?

In der Regel hat die Personalabteilung direkten Kontakt zu den Bewerbenden und stimmt die Profilanforderungen mit den Führungskräften der Fachabteilungen ab. Sie verfügt somit über ein fundiertes Verständnis der Zielgruppe und kann die Bedürfnisse und Erwartungen in persönlichen Gesprächen identifizieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten in regelmäßigen Feedbackschleifen an das Marketingteam weitergegeben werden.

Das Marketingteam ist für die Gestaltung und Durchführung der Marketingmaßnahmen zuständig, sowie für die Erfolgsmessung und Optimierung der Werbemaßnahmen. Durch diese enge Zusammenarbeit kann das Marketingteam wirksame Werbemaßnahmen entwickeln, die auf die spezifischen Kanäle und Zielgruppen zugeschnitten sind.

4. Candidate Journey: Optimiert und persönlich

Die Candidate Journey umfasst sämtliche Berührungspunkte zwischen einem Kandidaten und dem Unternehmen, vom ersten Kontakt bis zur endgültigen Entscheidung. 

Ein Bild, das Text, Screenshot, Schrift, Kreis enthält.Automatisch generierte Beschreibung
[Die Phasen der Candidate Journey. Icons und Elemente entnommen aus www.canva.com]

Ähnlich wie beim Customer Journey Management kann die Optimierung der einzelnen Phasen die Attraktivität steigern. Wird nach einem Messebesuch oder Klick auf eine Anzeige zu den relevanten Informationen geleitet? Wie kann der Kontakt erhalten bleiben, auch wenn gerade nicht die richtige Stelle frei ist? Wie nutzerfreundlich ist der Bewerbungsprozess?

Die Erwartungen, die Menschen als Kunden an einen Kaufprozess stellen – übersichtlich, einfach und schnell - übertragen sich zunehmend auch auf Bewerbungssituationen. Marketingexperten können dabei helfen, die verschiedenen Berührungspunkte zwischen einem Kandidaten und dem Unternehmen so zu gestalten, dass sie ein positives und einprägsames Erlebnis bieten. Gleichzeitig ist HR gefragt, im persönlichen Kontakt möglichst individuell auf Bewerbende einzugehen, herauszuhören, was wichtig ist und mögliche Bedenken zu nehmen. Die direkten Einblicke in die Bedürfnisse und Erwartungen liefern Erkenntnisse, um die einzelnen Phasen der Candidate Journey entsprechend anzupassen und zu optimieren.

Zwischen Kompetenzen, Zielen und Leistungsbewertung. Eine Meinung zur Positionierung von Employer Branding

Es scheint, als rutschten die Anforderungen des Personalmarketings und Employer Brandings immer stärker an die Aktivitäten der Marketingabteilung heran. Doch weder kann der Erfolg ausschließlich anhand traditioneller Marketingmetriken gemessen werden, noch hat die Marketingabteilung den Erfolg alleine in der Hand. Auch eine schnelle Reaktion auf Bewerbungen und der persönliche Kontakt zu den Kandidaten wird immer wichtiger. Oftmals liegt der hohe Organisationsaufwand bei der HR-Abteilung, die gleichzeitig mit vielen anderen Aspekten des Tagesgeschäfts betraut ist.

Sicherlich liegt die ideale Position dieser Querschnittsfunktion in der Mitte mit Kompetenzen aus beiden Bereichen vereint. Doch natürlich lässt nicht jede Unternehmensgröße eine eigene Abteilung oder Stabsstelle zu.In diesem Fall sollte sichergestellt werden, dass bei Zielsetzungen und Maßnahmen eine umfassende Perspektive aus Marketing, Personalauswahl und Unternehmenskultur einfließt und eine ganzheitliche Denkweise möglich ist. Die Führungskräfte spielen hier eine entscheidende Rolle, indem sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Klare Rollen, regelmäßige Kommunikation, gut durchdachte Strukturen und die Berücksichtigung von Arbeitsbelastung sind entscheidend, um das Ziel zu erreichen und Konflikten vorzubeugen. Meine Ausführungen zu einer möglichen Aufgabenverteilung zwischen den beiden Abteilungen sind lediglich als Anregungen zu verstehen. Letztlich kann die Frage von Zuständigkeiten nicht in einem Blogbeitrag pauschal beantwortet werden, sondern sollte auf die Bedürfnisse und Strukturen des Unternehmens zugeschnitten sein.

Das Bündeln von Kräften zwischen HR und Marketing ist jedenfalls entscheidend. Durch eine enge Zusammenarbeit können Ressourcen effizient genutzt werden und gemeinsame Ziele schneller erreicht werden. Vor dem Start oder der Ausweitung lohnt sich eine Bestandsaufnahme der Kompetenzen und Interessen der Mitarbeitenden. Wie ist Ihre Meinung? Welche Erfahrungen haben Sie mit den Schnittstellen gemacht?  

Zur Autorin:

Andrea Mai verfügt über mehr als 12 Jahre Erfahrung in der (digitalen) Kommunikation. Als Fach- und Führungskraft hat sie maßgeblich an der Entwicklung von (Marketing-)Teams sowie der erfolgreichen Umsetzung digitaler Projekte mitgewirkt. Ihre Kernkompetenz liegt in der Konzeption und Implementierung ganzheitlicher Strategien zur Akquise neuer Kunden und Mitarbeitenden.

E-Mail: andrea@mai-markenstrategie.de
Tel: +49 (0) 151 22 26 58 23
Website: www.mai-markenstrategie.de

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